Brücke zwischen Cyberspace und unseren Kindern

30/06/2019| IslamWeb

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit haben wir alle schon einmal den Satz: „Die Computer sind abgestürzt – nichts geht mehr!“ gehört. Dies geschieht gelegentlich in fast jedem Unternehmen. Tatsache ist, dass wir mit jedem vergehenden Tag zunehmend von der Technik abhängig geworden sind. 

Universitäten und Schulen sind von den technischen Fortschritten beim Lehren, beim Lernen und in der Forschung ebenfalls in hohem Maße abhängig. Computer und Internet sind in diesem Prozess gegenwärtig die Hauptarbeitsmittel geworden. Diese Entwicklung stammt aus dem Westen und lässt niemanden unbeeinträchtigt, weder im Osten oder im Westen noch im Norden oder im Süden. Da diese Dinge im Westen entwickelt wurden, besitzen sie hinsichtlich Sprache und Kultur „westliche“ Sinnbezüge. Die Übertragung einer derartigen Technologie auf Menschen verschiedener Kulturen, Religionen, Sprachen und gesellschaftlicher Umstände stößt auf Vorbehalte und Konflikte.

Die Forschung nach dem Einfluss von Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Weltgemeinschaft stellt einen wachsenden Interessenbereich vieler Unternehmen dar. Der Einfluss auf den Islâm und die muslimische Welt ist sogar noch herausfordernder, da nicht alle westlichen Werte mit den islâmischen übereinstimmen. In diesem Bereich wird zunehmend Forschung benötigt, damit die muslimische Welt dieses Hilfsmittel positiver nutzen kann. Computer und Internet werden hier bleiben. Wir können vor ihnen nicht davonlaufen! Deshalb müssen wir uns der Herausforderung offen stellen! Der Autor dieses Artikels hat viel Zeit damit verbracht, nach Problemen im Zusammenhang mit der Verwendung des Internets im Heim muslimischer Familien zu forschen.

Im Schatten des Cyberspace   

Der Vormarsch der Technik stellt Eltern vor neue Herausforderungen. Besonders muslimische Eltern, von denen die Mehrheit sich immer noch nicht mit den Informations- und Kommunikationstechnologien auskennt. Ihre Kinder benutzen Computer in Schulen – und oftmals zu Hause – meist ohne elterliche Aufsicht oder Leitung. Eltern sind scheinbar oft überfordert, weil sie nicht darüber informiert wurden, was sie zu tun haben. Einige muslimische Eltern stehen deshalb dem doppelten Dilemma gegenüber, sich selbst nicht mit Computern auszukennen und nicht zu wissen, wie sie die Internetnutzung ihrer Kinder beaufsichtigen sollen.

Das Internet zu Hause ist ein zweischneidiges Schwert. Es kann einem dabei helfen, ein Ziel zu erreichen. Es kann den Benutzer jedoch genauso schädigen. Es hängt vollkommen davon ab, wie dieses Arbeitsmittel genutzt wird. Deshalb ist es äußerst wichtig, dass Muslime, besonders muslimische Eltern, dieses zweifache Leistungsvermögen kennen.

Positiv zu vermerken ist, dass im Internet mittlerweile unzählige Webseiten existieren, die Informationen über den Islâm, die Muslime und die muslimische Welt anbieten. Der gesamte Qurân und viele Hadîthe sind auf Deutsch, Arabisch und in vielen anderen Sprachen im Internet abrufbar. Viele Menschen sind sogar zum Islâm übergetreten, nachdem sie ihre ersten Informationen aus dem Internet erhalten hatten. Ich habe auf der ganzen Welt, von den Vereinigten Staaten von Amerika bis Australien, viele Menschen kennen gelernt, deren Übertritt zum Islâm mit dem Internet begann. Dies sind großartige Neuigkeiten! Eltern können glücklich sein, dass ihre Kinder im Internet vernünftige Informationen über den Islâm finden können, was nützlich für deren Verständnis und für Schulprojekte ist. Doch es ist äußerst wichtig, nicht authentische Islâm-Websites zu kennen, deren einziger Zweck darin besteht, Hass auf den Islâm und islâmische Riten zu verbreiten. Zudem gibt es islâmische Websites, die auf den ersten Blick islâmisch aussehen, jedoch indirekt irreführende Informationen über den Islâm verbreiten und Gelehrte beschäftigen, die sich auf einem wenig produktiven Pfad befinden.

Ein Gerät für die Familie

Mittlerweile sind Computerprogramme wie ALIM, Al-Ustâdh und Al-Qâri verfügbar. Durch diese Programme können Kinder in der Behaglichkeit ihrer Wohnung Arabisch und Islâm-Wissenschaften lernen, wenn es in ihrer Umgebung keine gute Medrese gibt. Diese Programme sind in den Vereinigten Staaten und in Australien sehr beliebt, wo muslimische Familien teilweise in abgelegenen Gegenden leben. Medresen im Vereinigten Königreich von Großbritannien könnten diese Programme ebenso gut als Lehrmittel nutzen. Das Problem im Vereinigten Königreich besteht darin, dass Medrese-Lehrer, die sich mit dem Computer auskennen, nicht leicht zu finden sind.

E-Mail und Internettelefondienstleistungen verbessern die Beziehungen und Kommunikation zwischen muslimischen Familien und deren Kindern, die mit ihren Verwandten auf der ganzen Welt in Kontakt bleiben können. Diese Bindungen aufrechtzuerhalten war in den Tagen des Briefeschreibens nicht einfach. Muslimische Familien und ihre Kinder können beträchtlich davon profitieren, wenn sie Flüge, Urlaub und Hotels im Ausland buchen. Und Währungsumrechnungsdienste im Internet können sowohl für Kinder als auch für Erwachsene eine aufregende Übung sein. Einkaufen via Internet von zu Hause aus ist im Westen mittlerweile sehr beliebt und muslimische Frauen mit Kleinkindern können diesen Dienst nutzen, wenn sie es vorziehen, nicht zu Supermärkten zu gehen, oder in den Monaten, in denen sie ein Kind erwarten. Behinderte und ältere Menschen können diesen Dienst ebenfalls nutzen, falls sie sich natürlich mit dem Computer auskennen.

Muslimische Heiratsseiten sind bei der Auswahl eines Ehepartners sehr beliebt geworden. Dieses Thema bedarf eines eigenen Artikels. Doch kurz gesagt ist es gegenwärtig wichtig zu erkennen, dass diese Dienste vorhanden sind und sich beim Zusammenbringen von Paaren und deren Familien weltweit gut bewährt haben, was ein gutes Abbild der weltumfassenden Eigenart des Islâm und der muslimischen Welt darstellt. Dennoch ist es sehr wichtig, bei der Auswahl eines Partners über eine Heiratswebsite vorsichtig zu sein.

Versteckte Gefahren

Einer der ersten Ratschläge des Innenministeriums des Vereinigten Königreiches von Großbritannien an Eltern ist, dass der Computer im Haus in den Wohnbereich des Hauses und nicht ins Kinderzimmer gestellt werden soll. Eine der Haupttücken des Internets besteht darin, dass pornografische Webseiten absichtlich aufgerufen werden können. Genauso kann man auch unabsichtlich auf derartige Webseiten stoßen, da sie speziell dafür entwickelt sind, versehentlich erreicht zu werden, beispielsweise durch eine Werbeeinblendung auf dem Bildschirm oder die Verwendung bestimmter Wörter. Wenn sich der Computer im Wohnbereich befindet, dann können die Eltern und andere Familienmitglieder sehen, was auf dem Bildschirm erscheint.

Es gibt Webseiten, die zeigen, wie man eine Bombe baut, tötet, sonstige Straftaten oder Selbstmord begeht. Unbeaufsichtigte Chaträume haben einigen Kindern der muslimischen Gemeinschaft bereits ernsthafte Probleme beschert und stellen wegen Pädophilen und sonstigen Kinderschändern eine wachsende Bedrohung für Kinder dar.

Computersucht ist mittlerweile eine anerkannte Krankheit und viele Jugendliche müssen auf Grund dieser Sucht, die zu Fettleibigkeit und unsozialen Gepflogenheiten führt, behandelt werden. Für muslimische Kinder kann die Internetsucht zur Abwesenheit von Unterrichten an der Medrese oder von Sportaktivitäten führen.

Ein weiterer Grund zur Sorge ist der Einfluss von Gewalt beinhaltenden Computerspielen. Einige Kinder können auf Grund der schnellen Sehaktivität und der blinkenden Lichter, die auf dem kleinen Bildschirm erscheinen, ohnmächtig werden oder epileptische Anfälle erleiden.

Die Liste der Bedenken, die wegen der übermäßigen Nutzung des Internets entstehen, wird länger. Hier einige Empfehlungen für muslimische Eltern bezüglich der Nutzung des Internets zu Hause:

Verbessert eure Computerkenntnisse! Dies ist wichtig, um die Computer- und Internetnutzung eurer Kinder ordnungsgemäß zu beaufsichtigen. Ihr könnt eine Abendschule besuchen! Die meisten Erwachsenenbildungszentren bieten Kurse zum Erlernen der grundlegenden Computerkenntnisse an.

Legt für euch und euer Kind Regeln zur Nutzung des Internets und anderer Informations- und Kommunikationstechnologien fest! Bestimmt beispielsweise die maximal erlaubte Zeit, die man, ungeachtet des Verwendungszwecks, vor dem Bildschirm sitzen darf, sei es um zu spielen, Hausaufgaben zu machen oder mit Freunden zu kommunizieren!

Überprüft die Chaträume, die euer Kind besucht und stellt sicher, dass sie beaufsichtigt sind! Die Verwendung von Kraftausdrücken ist ein Zeichen für einen unbeaufsichtigten Chatraum.

Seid euch der Tatsache bewusst, dass viele Pädophile Chaträume benutzen, um Kindern für die Teilnahme an bestimmten Aktivitäten, die möglicherweise absolut harmlos aussehen, Anreize und Geschenke anzubieten!

Erlaubt den Kindern niemals, ohne euer Wissen und eure Zustimmung online Formulare auszufüllen, die identifizierende Informationen (wie Namen, Adressen oder Telefonnummern) verlangen!  

Installiert Filterprogramme wie NetNanny, Cyber Patrol, CYBERsitter oder Surfwatch, um unpassende Inhalte auszufiltern!

Legt Regeln zur Auswahl von Computerprogrammen fest!

Schließlich ist das Erlangen sowohl von religiösem als auch von weltlichem Wissen eine grundlegende Forderung im Islâm. Die allerersten Wörter, die dem Propheten Muhammad (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) im Qurân offenbart wurden, sind: „Lies im Namen deines Herrn, Der erschaffen hat“ (Sûra 96:1).

Die Verantwortung der muslimischen Eltern, der Kinder und der Umma in der Gesamtheit ist absolut klar, wenn die muslimische Welt ihre glaubwürdige Stellung in der Welt wiedergewinnen will. Möge Allâh der Allmächtige uns die Fähigkeit geben, den Lehren unseres geliebten Propheten Muhammad (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) zu folgen und ein besseres Verständnis der wahren Botschaft des Islâm zu entwickeln!

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