Maryam widmete sich dem einladenden Aufruf zum Islâm – Teil 1

18/09/2019| IslamWeb

Wie oft verbinden wir die Rolle Maryams (Friede sei mit ihr) mit dem einladenden Aufruf zum Islâm, wenn wir an sie denken? Ist uns bewusst, wie sehr sie sich darum bemühte, dass ihr Volk gegenüber der Rechtleitung empfänglich wird und zur Wahrheit kommt? Ist uns bewusst, wie sehr sie sich für die Verbreitung des Islâm einsetzte? Begreifen wir, dass wir von ihr, als Ruferin zum Islâm, lernen können? Würde es euch wundern, zu erfahren, dass es eine historische Debatte unter Gelehrten darüber gab, ob Maryam (Friede sei mit ihr) eine Prophetin war oder nicht, da sie unmittelbar von Dschibrîl Offenbarungen erhielt? Ich neige an und für sich zur Meinung, dass sie keine Prophetin war, obwohl sie möglicherweise einen ähnlichen Status an Rechtschaffenheit mit den Propheten teilt. Ich werfe diese Frage jedoch aus folgendem Grund auf: Es ist leichter, uns selbst einzugestehen, dass wir Maryam (Friede sei mit ihr) und deren Rolle in der Einladung zum Islâm bei aller Liebe auf keinen Fall so gut kennen, wie wir denken. Da viele von uns beim einladenden Aufruf zum Islâm mitwirken, sind Geschichte und das Beispiel Maryams (Friede sei mit ihr) besonders im 21. Jahrhundert unentbehrlich. Da dieser Artikel dem Thema nicht voll gerecht wird, werden wir uns lediglich auf einige wesentliche Lehren konzentrieren, die Maryam (Friede sei mit ihr) dem für den Islâm Wirkenden bietet.

1. Der erste Schritt beim einladenden Aufruf zum Islâm: Ein Gottesbewusstsein beim Zuhörer entwickeln

Als der Engel Dschibrîl zum ersten Mal Maryam (Friede sei mit ihr) in Gestalt eines Mannes erschien, während sie allein war, sagte sie: „… Ich suche beim Allerbarmer Schutz vor dir, wenn du gottesfürchtig bist“ (Sûra 19:18).

Az-Zamachscharî erwähnt, dass sie, da sie sich Allâh zuwandte, zudem hoffte, dass ihr Verhalten diesen Fremden dazu ermuntern würde, sich Ihm ebenfalls  zuzuwenden. Der Grund dafür, dass sich Maryam speziell an Allâh den Hocherhabenen als „den Allerbarmer“ wandte, bestand darin, in diesem Fremden, von dem sie dachte, er sündige, Hoffnung zu entfachen, damit er sich zurückbegeben und jegliches Übel, das er anfangs zu tun beabsichtigte, unterlassen würde. Unsere Gemeindeaktivisten sollten sich durch Maryam (Friede sei mit ihr) an die Wichtigkeit, ja sogar an die Dringlichkeit erinnern lassen, denjenigen, die scheinbar sündigen wollen, Hoffnung auf die Barmherzigkeit Allâhs des Hocherhabenen zu geben. Es ist interessant festzustellen, dass in der Geschichte von Maryam und Jesus (Friede sei mit ihm) in der Sûra Mayram“ Allâh der Hocherhabene ständig mit Seinem gesegneten Namen „der Allerbarmer“ erwähnt wird. Die Sûra Mayram“ berichtet auch über die Zwangslagen anderer Propheten, darunter Abraham, Mûsâ und Idrîs (Friede sei mit ihnen). Eine Lehre, die wir bei der Einladung zum Islâm daraus ziehen können, lautet, dass man, wenn man auf dem Weg des Lehrens Mühe hat, sich auch daran erinnern sollte, dass Er der Barmherzigste ist, der diesen Weg erleichtert.

Sie sagte zu Dschibrîl: „…, wenn du gottesfürchtig bist“, da nur ein gottesfürchtiger Mensch Geboten und Verboten Folge leistet. Dies wird in einem scheinbar unvollständigen Konditionalsatz ausgedrückt. Während die Bedingung, gottesfürchtig zu sein, erwähnt wird, fehlt die Antwort auf die Bedingung. Einige Exegese-Gelehrte vermuteten alle die gleiche Bedeutung, und zwar dass die fehlende Antwort „Wenn du gottesfürchtig bist, dann würdest du dich von mir entfernen oder mich allein lassen!“ sei. At-Tantâwîs Exegese erwähnt allerdings etwas noch Verständlicheres: Die Antwort fehlt, da sie allgemein auf alle bösen Dinge zutrifft, die einem in den Sinn kommen könnten. Wenn man demnach grundsätzlich gottesfürchtig wäre, würde man sich darum bemühen, alles, was falsch ist, zu unterlassen und das Richtige tun. Ar-Râzî sagt, dass es dem Fremden nicht nutzen würde, wenn sie vor ihm Zuflucht sucht, es sei denn, er wäre gottesfürchtig. Diese Aussage enthält also ein Bittgebet für sie selbst, gemeinsam mit einer Erinnerung an ihn, dass sie sich auf Allâh verlässt, sowie eine unausgesprochene Aufforderung an ihn, Allâh zu fürchten und demgemäß zu handeln. Spätere Gelehrte sagten, dass in dieser Aussage ein Beweis dafür liegt, dass nur jemand, der Gottesfurcht besitzt, von Geboten und Verboten profitieren kann. Deshalb sollten diejenigen, die zu Allâh aufrufen, zuerst zu Gottesfurcht aufrufen, um zunächst eine Beziehung zu Allâh entwickeln, und dann zu den Geboten und Verboten im Islâm!     

2. Einladendes Aufrufen zum Islâm durch eigenes Vorbild und aus ganzem Herzen kommendes Interesse

Als Maryam (Friede sei mit ihr) ein Stadium erlangt hatte, in dem sie fürchtete, ihre Schwangerschaft würde erkannt werden, ging sie fort, an einen Ort, der als „Makânan qasiyyan“ bezeichnet wird – sprich ein weit entfernter, ferner, abgelegener Ort. Wir müssen uns vorstellen, dass sie völlig allein an diesem Ort verweilte – und monatelang mit diesem Geheimnis lebte, von dem sie niemandem etwas erzählen konnte! Während einige Exegesen besagen, dass Maryams Schwester, die Frau von Zakariyyâ, von der Schwangerschaft wusste, da sie zu dieser Zeit von Yahyâ schwanger war, lehnen andere Exegesen diesen Gedanken ab, da das Beweismaterial hierfür auf zahlreichen Ebenen nicht fehlerfrei ist (Exegese des Ibn Kathîr). Auch nicht zu vergessen ist, dass sie ihr Kind nicht ganz allein entbunden hätte, wenn ihre Familie davon gewusst hätte. Versetzt euch also in die Lage als ihre Schwester! Wie allein würdet ihr euch fühlen, wenn ihr zu einem entlegenen Ort fliehen müsstet, nicht in der Lage irgendjemandem zu vertrauen? In dieser Situation verließ sie sich auf Allâh den Hocherhabenen und gebar ihren Säugling selbst. Mütter, die eine Geburt erlebt haben, könnten sich niemals vorstellen, diesen Vorgang völlig allein durchzustehen! In diesem Zustand rief sie aus: „… O wäre ich doch zuvor gestorben und ganz und gar in Vergessenheit geraten!“ (Sûra 19:23).

www.islamweb.net