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Die Lage in Madîna vor der Hidschra

Die Lage in Madîna vor der Hidschra

Nachdem die Quraisch die in Makka lebenden Muslime unterdrückt hatten und eine Auswanderung unbedingt notwendig geworden war, wurde Madîna als ein Ort gewählt, in dem ein islâmischer Staat gebildet und von dem die Da'wa auf die ganze Arabische Halbinsel getragen werden kann. Damit wir wissen, warum Madîna als Ort des islâmischen Staates ausgewählt wurde, ist es sehr wichtig, das Leben in Madîna, seine geschichtliche Entwicklung, die in ihm herrschenden Glaubensanschauungen und die Beziehungen zwischen den dort lebenden Stämmen darzustellen.

 
Die geschichtliche und soziale Lage:
 
Grundsätzlich teilte sich die zivile Gesellschaft von Madîna in drei Teile: in den Stamm der Aus, den Stamm der Chazradsch und die Juden. Außerdem gab es noch Beduinen, die Madîna kurzfristig besiedelten um gesellschaftliche oder geschäftliche Zwecke zu verfolgen.
 
Die Juden gehörten aber zu den ältesten Bewohnern Madînas. Ihre Geschichte reicht noch bis zu ihrer Vertreibung aus Syrien und ihrem Zuzug wegen der römischen Unterdrückung zurück, denn damals suchten sie immer wieder nach einem passenden Land, bis sie letztendlich in Yathrib (alte Bezeichnung für Madîna) ankamen und dort eine soziale, geistige und wirtschaftliche Gesellschaft gründeten.
 
Die jüdische Gemeinde bestand ihrerseits aus drei Stämmen: Banû Qainuqâ', die Madîna bewohnten, nachdem sie sich mit den anderen Juden gestritten hatten; Banû An-Nadîr, die ein Tal außerhalb Madînas bewohnten und Banû Quraidha, die südlich von Madîna, in einer Entfernung von einigen Meilen ansässig waren.
 
Trotzdem weist der Qurân darauf hin, dass es Konflikte unter diesen drei jüdischen Stämmen gab, deshalb konnten sie nicht zusammenleben und mussten an verschiedenen Orten von Madîna voneinander getrennt sein. Jeder Stamm flüchtete sich zu einem ihrer benachbarten arabischen Stämme, um Schutz und Unterstützung zu sichern.
 
Was die Stämme von Aus und Al-Chazradsch betrifft, so ist ihr Ursprung aus dem Stamm Al-Azd, die aus dem Jemen einwanderten nachdem der Staudamm von Marab einstürzte. Die Al-Aus bevorzugten es, sich im östlichen und südlichen Teil von Madîna aufzuhalten, wobei die Al-Chazradsch im Zentrum von Madîna ihren Aufenthalt gefestigt hatten.
 
Zwischen Banû Hâschim (dem Stamm des Propheten) und Banû Adî ibn An-Naddschâr aus Al-Chazradsch gab es eheliche Beziehungen, denn Hâschim heiratete eine Frau von Al-Chazradsch, von der er seinen Sohn Abdulmuttalib bekam. So sind die Banû Adî die Onkel (mütterlicherseits) des Propheten  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken . Diese eheliche Beziehung schuf eine gute Beziehung zwischen dem Propheten und den Bewohnern von Madîna.
 
Die Geschichte der Al-Aus und der Al-Chazradsch ist voll von Kriegen, die für lange Zeiten zwischen ihnen herrschten. Immer wenn ein Kampf zu enden schien, brach ein neuer aus. Die Juden spielten eine entscheidende Rolle dabei, dass diese Kämpfe zwischen den beiden Stämmen fortwährten, um sich so die Kontrolle über Madîna zu sichern.
 
Der letzte dieser Kämpfe war der sogenannte "Tag von Bu'âth", an dem die Al-Aus die Al-Chazradsch besiegten und viele stolze und eingenommene Führer beider Seiten getötet wurden. Übrig blieben die jungen Führer, die bereit waren, die Wahrheit zu akzeptieren und ihr zu folgen, deshalb war "der Tag von Bu'âth" eine einleitende Phase, in der die Bewohner von Madîna auf die Annahme der Da'wa des Propheten  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken vorbereitet wurden.
 
Die religiöse Lage:
 
Vom Erwähnten zeigt sich klar, dass zwei Glaubensanschauungen in Madîna herrschten: die Götzenanbetung und das Judentum, auch wenn die erste Anschauung in der Gesellschaft überwog. Der Grund dafür liegt darin, dass die Juden niemanden dazu einladen ihrer Religion zu folgen, darüber hinaus betrachten sie sich als ein „auserwähltes Volk“.
 
Da es eine Verbindung zwischen Juden und den Offenbarungsschriften gab, hatten sie ihre eigenen Schulen, an denen sie ihre Theorien lehrten und ihre religiösen Rituale lernten, auch wenn der größte Teil ihrer Gesetzgebung wegen der Verfälschungen ihrer schlechten Gelehrten und Rabbiner verloren gegangen ist.
 
Zu den in ihrer Religion unverfälscht bewahrten Dingen gehört die Verkündung eines am Ende der Zeit kommenden Propheten, dessen Eigenschaften und dessen Persönlichkeit die Thora beschreibt. Im Qurân heißt es in diesem Zusammenhang: "die dem Gesandten, dem schriftunkundigen Propheten, folgen, den sie bei sich in der Thora und im Evangelium aufgeschrieben finden. Er gebietet ihnen das Rechte und verbietet ihnen das Verwerfliche, er erlaubt ihnen die guten Dinge und verbietet ihnen die schlechten, und er nimmt ihnen ihre Bürde und die Fesseln ab, die auf ihnen lagen. Diejenigen nun, die an ihn glauben, ihm beistehen, ihm helfen und dem Licht, das mit ihm herabgesandt worden ist, folgen, das sind diejenigen, denen es wohl ergeht." (Sûre 7:157)
 
Die Juden Madînas hatten damals den Arabern damit gedroht, dass sie ihm folgen würden und sagten ihnen: "Die Zeit des Erscheinens des Propheten ist nahe. Wir werden ihm folgen, mit ihm kämpfen und euch töten, wie die Völker Âd und Iram getötet worden sind." So sprach man viel vom kommenden Propheten und die Leute erwarteten sein Erscheinen. Als die Ansâr nach Makka zur Pilgerfahrt kamen und sich mit dem Propheten  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken trafen, zögerten sie nicht mit dem Glauben an ihn und der Annahme seiner Da'wa. Sie sagten zueinander: "Bei Allâh, ihr wisst ja sicher, dass es der Prophet ist, mit dem uns die Juden drohen! So lasst die Juden euch nicht ihm zuvorkommen!"
Was die religiöse Lage der Araber von Madîna betrifft, so waren sie - wie es dort üblich war - Götzenanbeter. Die verschiedensten Elemente des Götzentums waren weit verbreitet. Die Bewohner Madînas hatten ihre eigenen privaten Götzen. Ihr bekanntester war „Manât“, dem sie Opfertiere und Gelübde entgegenbrachten, ihn wie die Ka'ba umschritten und ihm viele andere Arten der Götzenanbetung und des Aberglaubens erwiesen.
 
Die geografische Lage:
 
Madîna lag strategisch sehr günstig, da es auf dem Weg der Handelskarawanen nach As-Schâm (dem heutigen Syrien) lag, deshalb war es seinen Bewohnern möglich, diese Handelskarawanen zu bedrohen und sie wirtschaftlich zu erpressen. Von dieser Waffe profitierten die Muslime, als sie gegen die Quraisch kämpften und von diesen Beute erlangen konnten. Außerdem war Madîna umkreist von einigen natürlichen Barrieren, die dabei halfen, sie vor möglichen Gefahren zu schützen. Nur vom Norden her gab es einen Eingang, den der Prophet  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken dann in der Schlacht von Chandaq durch einen Graben unzugänglich machte. Andere Städte der Arabischen Halbinsel verfügten nicht über solche Eigenschaften.
 
Die wirtschaftliche Lage:
 
Acker-, und Feldbau stellte die wesentliche Aktivität der Bewohner von Madîna dar. Dabei halfen ihnen ein fruchtbarer Boden, die vielen Täler und die Verfügbarkeit von Wasserreserven in ihren Becken. Es gab außerdem noch Handwerk, für das die Juden bekannt waren. Das umfasst selbstverständlich die verschiedenen Ausrüstungsindustrien, die Tischlereien sowie Gold- und Silberschmiedewerkstätten.
 
Obwohl die Araber die Mehrheit bildeten, lag die Wirtschaft in den Händen der Juden, da sie es ausnutzten, dass die Araber Geld brauchten, um Keime und Landwirtschaftsmittel zu kaufen und die Kriegskosten zwischen Al-Aus und Al-Chazradsch zu decken. Sie verliehen ihr Geld mit Zinskrediten und verdoppelten die Zinsen in übertriebener Weise. So nutzen sie die geringen Einkommensquellen und die Armut aus, was dazu führte, dass viele Araber hoch verschuldet wurden und den jüdischen Händlern Madînas verpflichtet waren.
 

Von dieser erdrückenden Herrschaft und dieser harten Krise, die die jüdischen Stämme Madînas verursacht hatten, suchten die Araber einen Ausweg. Und sie fanden, was sie suchten in Makka, sie fanden die göttliche Offenbarung, in deren Licht die Menschheit an allen Orten und zu allen Zeiten friedlich und sicher lebt.

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